Empowered by democracy
Kurzbeschreibung
Seit 2015 stellen die Aufnahme von Geflüchteten und ihre Integration eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen der letzten Jahrzehnte dar. Ganz besondere Aufmerksamkeit verdienen dabei Kinder und Jugendliche, die mit Familienmitgliedern oder alleine ihre Heimat verlassen mussten und oft unter schwierigsten Bedingungen und mit vielen Ängsten Hoffnungen nach Deutschland gekommen sind.
Das Projekt „Empowered by Democracy“ (2017 – 2019) hat Angebote politischer Jugendbildung entwickelt, die junge Geflüchtete in ihrem Ankommen unterstützen und ihnen Möglichkeiten zur Orientierung in dieser Gesellschaft bieten. Die beteiligten Träger habe darüber hinaus im Verlaufe des Projektes junge Leute mit und ohne Fluchthintergrund gemeinsam dazu ermutigen und befähigen, sich mitgestaltend als Multiplikatoren*innen in die politische Bildungsarbeit einzubringen.
Kernziele des Projektes
- Qualifizierung und Professionalisierung der politischen Bildung mit jungen Geflüchteten
- Entwicklung und Erprobung von Ansätzen und Methoden des gemeinsamen Demokratielernens für heterogene Zielgruppen (junge Menschen mit und ohne Fluchthintergrund, junge Menschen mit und ohne Migrationshintergrund)
- Ermöglichung einer strukturierten Auseinandersetzung über Konfliktthemen in der Einwanderungsgesellschaft
- Aufzeigen von Möglichkeiten zur politischen Teilhabe und Beteiligung für junge Geflüchtete
- Qualifizierung junger Geflüchteter zu Koproduzenten politischer Bildung
- Förderung des Austausches und der Vernetzung zum Themenfeld innerhalb der jeweiligen Trägerorganisation
- Aufbau einer bundesweiten Kooperationsstruktur zwischen Akteuren der Flüchtlingshilfe, kommunalen Verwaltungsstrukturen und politischen Bildnerinnen und Bildnern
Weitere Informationen und diverse im Projekt entstandene Broschüren finden Sie auf der Homepage: http://empowered-by-democracy.de/
Unsere Aktivitäten
Als ARBEIT UND LEBEN Bremen haben wir uns mit verschiedenen Maßnahmen am Projekt „Empowered by democracy“ beteiligt:
1. Let´s talk about our interests
Wir haben im Schuljahr 2017/2018 im wöchentlichen Rhythmus mit Vorklassen von zwei Bremer Schulen (Schulzentrum Neustadt, Technisches Bildungszentrum) gearbeitet. Die gemeinsame Arbeit hat außerhalb der Schule in Jugendzentren stattgefunden (Freizi Neustadt, Jugendhaus Hulsberg des BDP). Das Seminar sollte die Jugendlichen darin unterstützen, den alltäglichen Herausforderungen des Lebens in einem neuen Land zu begegnen und Bewältigungsstrategien entwickeln. Es sollte die Jugendlichen anregen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Menschen(gruppen) wahrzunehmen und im Abgleich mit diesen eine eigene Identität in der neuen Heimat zu entwickeln. Dazu wurden Themen wie Familie, Zukunftsvorstellungen, kulturelle Unterschiede und Gemeinsamkeiten, Freundschaften, Schule, politische Situation in Deutschland bzw. im Herkunftsland, Demokratie, Religion usw. in den Blick genommen. Methodisch wurde mit einem Mix aus informellen Lernphasen, Erlebnispädagogik sowie verschiedenen mediengestützten Methoden der politischen Bildungsarbeit gearbeitet.
In einem zweiten Schritt haben die Jugendlichen eine Idee für ein Seminar erarbeitet, an dem sie selbst sowie „deutsche“ Jugendliche (die schon immer oder schon länger in Deutschland leben) teilgenommen haben (vgl. 3. Seminare „Wir und Die? Zusammen – Leben – Gestalten!”).
Im Rahmen des Schuljahres ist in einer der Gruppen unter anderem ein sehr beeindruckender Brief an einen unbekannten Freund entstanden.
2. Fortbildung „Alles anders, alles neu? – Politische Bildung mit Geflüchteten
Im Rahmen unserer bisherigen Arbeit mit (jungen) Geflüchteten wurden spezifische Herausforderungen deutlich, deren Bearbeitung wir uns in der Fortbildung am 2. und 3. November 2017 im Lidice-Haus Bremen gewidmet haben. Schwerpunkt der Auseinandersetzung waren folgende Themen:
- Austausch über bisherige Erfahrungen aus der politischen Bildungsarbeit mit Geflüchteten
- Reflexion der Wissensproduktion (medial, wissenschaftlich) sowie eigener Bilder von Geflüchteten
- Auseinandersetzung mit Mehrsprachigkeit in der politischen Bildung
- Blick über den Tellerrand auf neue bzw. adaptierte Methoden und Konzepte
An der Fortbildung haben Menschen teilgenommen, die in unterschiedlichen Zusammenhängen mit Menschen mit Fluchtbezügen arbeiten: In Unterkünften, der offenen Jugendarbeit, im Rahmen von Seminaren der politischen Bildung oder auch in der Begleitung von Freiwilligendiensten. Als Referent_innen haben uns u.a. bei der Auseinandersetzung unterstützt:
- Anna-Lilja Edelstein, Projektleitung des Modellprojektes „Discover Diversity – Between the Present and the Past“ der Kreuzberger Initiative gegen Antisemitismus – politische Bildung für die Migrationsgesellschaft
- Regina Piontek, politische Bildnerin und ehemalige Leiterin des Zentrums für Interkulturalität (KOM.IN) am Landesinstitut für Schule Bremen, dort war sie u.a. verantwortlich für die Qualifizierung der Lehrenden in den Vorkursen
Die Fortbildung hat deutlich gemacht, dass zum einen bereits viel Expertise und Erfahrungen vorhanden sind, auf die wir in unserer Arbeit zurückgreifen können. Dazu benötigen wir aber weiterhin Räume, um uns regelmäßig auszutauschen und voneinander zu lernen. Die inhaltlichen und methodischen Anregungen von verschiedenen Expert_innen sind dabei hilfreich, um weitere Perspektiven kennenzulernen und Anregungen für die eigene Praxis zu erhalten. Zum anderen ist deutlich geworden, dass es in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft gilt, auch das eigene Sprechen über die Zielgruppe beständig zu hinterfragen, um nicht selbst (ungewollt) problematische Bilder über Geflüchtete zu (re-)produzieren.
3. Seminare „Wir und Die? Zusammen – Leben – Gestalten!”
Die Seminare „Wir und Die? Zusammen – Leben – Gestalten!“ haben an die Seminare „Let´s talk about our interests“ angeknüpft, die wir im Schuljahr 2017/2018 im Rahmen einer Kooperation mit dem Technischen Bildungszentrum (TBZ), dem Schulzentrum Neustadt (SZN), dem Freizi Neustadt und dem Jugendhaus am Hulsberg wöchentlich mit zwei Gruppen Jugendlicher durchgeführt haben. Die Jugendlichen sind erst in den letzten 2 Jahren nach Deutschland gekommen, viele von ihnen als Geflüchtete. An den daran anschließenden einwöchigen Seminaren „Wir und Die? Zusammen – Leben – Gestalten!” nahmen hingegen sowohl neuzugewanderte Jugendliche teil, als auch Jugendliche, die schon immer oder längere Zeit in Deutschland leben – gemeinsam ist beiden Gruppen der Besuch der gleichen Schule. Thematisiert wurde die Frage, wie wir – trotz des Wunsches nach der Zugehörigkeit zu einer festen Gruppe und des damit verbundenen Hangs zur Abgrenzung von anderen Gruppen – in einer vielfältigen Gesellschaft zusammenleben wollen. Die konkrete thematische Ausrichtung des Seminars, dass die Zukunftswünsche bzw. die Utopien der Jugendlichen zum Ausgangspunkt der Beschäftigung mit den dafür notwendigen gesellschaftlichen Grundlagen nimmt, orientierte sich dabei vor allem an den Ideen der teilnehmenden, neuzugewanderten Jugendlichen aus den Seminaren „Let´s talk about our interests“. Methodisch wurde mit einem Mix aus informellen Lernphasen, Erlebnispädagogik sowie verschiedenen Methoden der politischen Bildungsarbeit gearbeitet. Im Rahmen des Seminars sind zu verschiedenen Themen großformatige Wandzeitungen bzw. Videoclips entstanden, die an den beteiligten Schulen gezeigt wurden.
4. Fortbildung „Visualisierung in der politischen Bildungsarbeit – ein Beitrag zu inklusiven Seminaren“
In der politischen Bildungsarbeit ist Sprache ein zentraler Bestandteil. Teamer*innen sind für die Vermittlung und Diskussion komplexer politischer Sachverhalte auf Sprache angewiesen. Dabei ist – ähnlich wie in der Schule – auch in der politischen Bildungsarbeit Deutsch meist die erste und oft auch die einzige Seminarsprache. Hinzukommt, dass es für politische Bildner*innen oft eine große Herausforderung ist, die vielschichtigen und oft auch komplizierten Themen sprachlich niedrigschwellig zu vermitteln.
Aus der Perspektive von - gerade auch neuzugewanderten - Teilnehmer*innen kann Sprache somit zu einer Zugangshürde in der politischen Bildung werden - sei es weil nur auf Deutsch oder sehr akademisch geprägt gesprochen wird. Sie kann ein Hindernis sein, sich überhaupt zu Seminaren der politischen Bildung anzumelden, aber auch in Seminarzusammenhängen dafür sorgen, dass sich Teilnehmende selten zu Wort melden. Wir als politische Bildner*innen und Teamer*innen sind daher gefordert, Wege zu finden, unsere Arbeit immer wieder zu überdenken und Neues zu entwickeln - nicht zuletzt auch unter der Perspektive der Verwirklichung von Inklusion. Der Workshop am 11.12.2018 bot die Möglichkeit, Grundlagen der Visualisierung zu erlernen, eigene Erfahrungen in der Visualisierung politischer Inhalte und Themen zu machen sowie über mögliche Stolpersteine (z.B. Stereotypisierungen) zu diskutieren.
5. Seminare „Work in Progress – Empowerment für junge Geflüchtete im Übergang in die Arbeitswelt“
Die Seminare „Work in progress – Empowerment für junge Geflüchtete im Übergang in die Arbeitswelt“ boten jungen Geflüchteten am Übergang Schule-Beruf die Gelegenheit sich mit der Arbeitswelt auseinanderzusetzen. Die Schwelle von der Schule auf den Arbeitsmarkt stellt für die meisten Jugendlichen einen Meilenstein in ihrem Leben dar. Oft von Ängsten geprägt, aber auch von Hoffnungen, Unsicherheiten und Wünschen treffen sie Entscheidungen, die ihren weiteren Lebensweg prägen. Für junge Geflüchtete kommen die oftmals prekäre Aufenthaltssituation sowie eigene Rassismus- und Ungleichheitserfahrungen hinzu. In diesen Seminaren haben wir uns die Frage gestellt, wie der Übergang trotz dieser schwierigen Situation gelingen kann. Ziel war es, die möglichen Hindernisse und Diskriminierungen herauszuarbeiten, um im Anschluss empowernde Strategien und Handlungsspielräume aufzuzeigen, die den Jugendlichen im Übergang von der Schule in den Beruf den Rücken stärken können. Neben der inhaltlichen Auseinandersetzung mit Diskriminierungsformen sind auch spielerische Methoden zum Einsatz gekommen.
6. Fortbildungswerkstatt „Methoden für die politische Bildungsarbeit in mehrsprachigen Gruppen“
In der politischen Bildungsarbeit mit (jungen) Geflüchteten und neuzugewanderten Menschen ist der Umgang mit der Mehrsprachigkeit der Teilnehmenden ein großes Thema. Die Teilnehmenden verfügen häufig nur über geringe Deutschkenntnisse und von einer gemeinsamen Brückensprache jenseits des Deutschen kann nicht ausgegangen werden. Viele Methoden der politischen Bildungsarbeit sind allerdings relativ sprachzentriert und setzen gute Deutschkenntnisse als Basis voraus. Diese an eine mehrsprachige Zielgruppe anzupassen, erfordert viel Zeit, die im Arbeitsalltag meist nicht gegeben ist. Im Rahmen der Fortbildungswerkstatt am 23. und 24.5.2019 im DGB Haus Bremen haben wir uns genau diese Zeit genommen und mit Hilfe der Referentinnen Anna Müller (Servicebureau Jugendinformation Bremen) aus dem Bereich der internationalen Jugendbildungsarbeit sowie Regina Piontek (freiberuflich tätig) aus dem Bereich Deutsch als Fremdsprache/Zweitsprache an den Methoden „Wie im richtigen Leben“, „Hochhaus der Möglichkeiten“ und „Werteauktion/Werteversteigerung“ gearbeitet. Begleitet haben uns dabei insbesondere Fragen nach Visualisierungsmöglichkeiten, der Integration der Sprachen der Teilnehmenden, dem Umgang mit Mehrsprachigkeit und Formulierungen in leichter Sprache. Ein weiterer Aspekt war die Frage, ob es sinnvoller ist politische Bildung in der/den Muttersprachen der TN anzubieten, um ihnen zu ermöglichen auch komplexe Sachverhalte und Meinungen differenziert ausdrücken zu können. Oder ob politische Bildung mit dem Ziel des Empowerments nicht auch die Aufgabe hat, den TN Räume zum Erlernen von politischen Begriffen und Formulierungen, die für die Äußerung der eigenen Meinung benötigt werden, in der neu zu erlernenden Sprache anzubieten und Seminare daher hauptsächlich in/auf Deutsch (aber mit Berücksichtigung der Muttersprachen der TN) abgehalten werden sollten . Das Fazit war wie so oft: Beides ist sinnvoll und sollte angeboten werden!
Die im Rahmen der Fortbildungswerkstatt entstanden Überlegungen und Überarbeitungen können hier eingesehen werden:
- sprachsensibele Überarbeitung der Methode Werteauktion
- Überlegungen zur Nutzung und sprachsensiblen Überarbeitung der Methode Wie im richtigen Leben.pdf
Projektträger
„Empowered by Democracy“ ist ein Projekt des bap – Bundesausschuss Politische Bildung e.V.. Empowered by Democracy“ wird gefördert vom BMFSFJ im Rahmen des Bundesprogramms „Demokratie leben!“.
Projektstruktur
Umgesetzt wird das Projekt von den Mitgliedern der Gemeinsamen Initiative der Träger Politischer Jugendbildung (GEMINI):
BAK AL: Bundesarbeitskreis Arbeit und Leben
AdB: Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten
AKSB: Arbeitsgemeinschaft katholisch-sozialer Bildungswerke
et: Evangelische Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung
Die et ist zusätzlich vom Bundesausschuss politische Bildung (bap e. V.) mit der Gesamtkoordination des Projektes beauftragt.
Weitere Kooperationspartner bei ARBEIT UND LEBEN
ARBEIT UND LEBEN Mecklenburg-Vorpommern
ARBEIT UND LEBEN Sachsen
ARBEIT UND LEBEN Thüringen
Ansprechpartnerin
Grete Schläger
g.schlaeger@aulbremen.de
0421-9608912
Laufzeit
02.03.2017 – 31.12.2019